Es ist April und wir haben noch immer keine Masken für alle. Wir reden aber darüber nur kurz, es ist interessant, wie einfach und wirkungsvoll die Filztechnik sein soll – und wie raffiniert und experimentell dagegen die Exposure-Apps. Dass sich schon im April #Corona ins kulturelle Leben einschleicht, wenn auch nur ins digitale, verwundert uns nicht. Der Brutalität konnten wir ja noch nie gut widerstehen, jetzt kommt der ein oder andere kontrollierte Grenzüberschritt hinzu. Zwar ist die Epidemie erst 0,2% fortgeschritten, wir reden dennoch schonmal über die neue Einsamkeit und das Sterben. Erfreulicherweise lässt sich dafür bereits auf Lektüren und Literatur zurückgreifen. Die Diskussionen – nicht nur darüber – können also schon klüger werden, als es der vorrangige Diskursraum Twitter bislang zulässt.
Kommt zu uns in den Salon. Im nächsten wird Wolfgang tatsächlich von seinem ersten Friseurbesuch seit Corona berichten ehe wir die Dinge des Monats lesen und besprechen.
Alles schön und gut, was die Herren Ärzte am Schluss sagen. Und die Hoffnung auf einen Impfstoff ist sicher auch oft übertrieben. Dennoch, ist die Durchseuchung der Bevölkerung durch Öffnung der Schulen und Kitas wirklich ne gute Idee ? Bin mir da nicht so sicher, vor allem, weil die Prämisse, die Kinder dürften dann nicht zu Oma und Opa (und das für zwei Jahre) dann passiert schon nix, reichlich optimistisch ist. Auch das mit der optimalen Sicherheit für die Kita-Mitarbeiter möchte ich doch bezweifeln. Klar Schweden und Dänemark machen den Feldversuch und vielleicht klappt’s ja. Was aber wenn nicht ? Auch ob’s da überall keine schweren Verläufe gibt, fraglich. Was passiert, wenn das Virus mutiert und gefährlicher für Kinder, junge Erwachsene Mittelalte wird ? Dann schon lieber runter mit den Infektionszahlen, flächendeckende Tests und der Versuch des Containements, bis es vielleicht doch einen Impfstoff oder eine bessere Therapie der Krankheit gibt. Liebe zum Risiko in allen Ehren, aber die hat für jeden seine persönlichen Grenzen.
Ihr habt Foucault angesprochen und Festivals, die archaische Elemente haben ohne wirklich archaisch zu sein. Foucault beschreibt ja in „Überwachen und Strafen“ berühmterweise gleich am Anfang eine archaische Szene und sagt wie dieses „Fest der Marter“ sich in Disziplinierungstechniken gewandelt haben.
Slavoj Zizek hat hier https://www.youtube.com/watch?v=uyxAJr6kc5c ab Minute 5 geschildert, wie in Südafrika und Mexiko Vergewaltigungen ritualisiert von statten gehen. Also, das Rammstein-konzert wird in Taten umgesetzt?
Foucaults Beobachtungen weisen darauf hin, dass man über Gefängnisse, Polizeiapparat versucht, sowas zu unterbinden ohne selbst große Akte der Gewalt ausüben zu müssen. Allerdings gibt es ja auch von Gewaltforscher Jan-Philipp Reemtsma in seinem Buch „Vertrauen und Gewalt“ die These, dass Gewalt eine anthropologische Konstante ist und man sie nur kulturell einhegen und fast schon zelebrieren kann: Fußballspiele, Boxturniere, Pornographie (oder weil ich die Buchempfehlung von der Folge des Soziopods habe: Videospiele)… Laut Reemtsma schweißt das Gesellschaften zusammen. Warum töten wir nicht ständig? Warum gibt es nicht andauernd Übergriffe? Wir vertrauen darauf, dass es der jeweilige andere nicht vor hat. …
Es ist mir nur so aufgefallen.
Wieder eine super Folge – vielen Dank!
Tolle Folge! Ein vielseitiger und umfassender Überblick zum Thema Einsamkeit findet sich im Band von Thomas Hax-Schoppenhorst:
Thomas Hax–Schoppenhorst (2018): Das Einsamkeits–Buch. Wie Gesundheitsberufe einsame Menschen verstehen, unterstützen und integrieren können. Hogrefe (Bern).
von mir auch ein dankeschön für diesen (neuen) podcast; selten so gut und interessant informiert worden
Thema: Einsamkeit. Stefan sagt Natur, ich sag Kultur. Bzw. kulturelle Beziehungen, also Beziehungen über Bande wie Whatsapp, wiegen manchmal schwerer als Botenstoffe, die uns per DNA natürlich ‚einprogrammiert‘ sind. Um ein großen Bogen zu schlagen: Ich meine, dass Karl Marx das auch mit seinem Warenfetischismus meint: wir kaufen nicht nur die Ware, sondern alles, was mit ihr zusammenhängt. Die Marke (ich gehöre zum Team Apple zB.) aber (und da müsste ich eine Quelle nachliefern, weil das so abgefahren ist, dass ich mir das vlt auch nur ausdenke) auch die Produktionskette: ich bin das Endziel einer Produktionskette, es wurde ein Haufen Aufwand gemacht, damit mir eine Ware zu zwinkert und mir gefällt. Dadurch stehe ich in Verbindung zu anderen, auch zum Leidwesen von anderen. Die Ware ist eine bestätigung, dass ich nicht alleine bin.
Stefan hat ja angesprochen, dass man in Unternehmen Nicht-kommunikation einübt. ich hab mir „Was ist Sex?“ gekauft und da gibt es auch eine Art ideologischen Verweis von Einsamkeit. Der berühmte Satz von Lacan „Es gibt kein [sexuelles] Verhältnis.“(mehrdeutig) habe sich der Kapitalismus zu eigen gemacht und er beute solche Nicht-Verhältnisse aus: „Adam Smiths ‚kapitale‘ Idee beginnt damit, ein soziales Nicht-Verhältnis als grundlegenden Zustand zusätzlich auf ein neues Niveau zu heben: Als Elemente der gesellschaftlichen Ordnung werden Individuen von egoistischen Trieben und der Verfolgung des Eigeninteresses angetrieben.“ … Daraus folgt zwar dann der Wohlstand der Gesellschaft, aber eben auch und vorallem das „Selbst-Genießen“ des Anderen, des Marktes. (die Krisen zeigen das wohl vor allem) und das ist dann der „unsichtbare Handjob“.Die Kosten dafür ist die extreme Ungleichheit (Zupancic schreibt sogar exponentiell (!) größere Unterschiede), die vom Nicht-Verhältnis getrieben ist. Oh und sie geht wohl direkt auf das ein, was ich davor geschrieben hab…
Aber Einsamkeit kann auch heißen, dass man nach Bourdieu weniger soziales Kapital hat und dann ist eig. schon ziemlich viel klar, worauf Spitzer hinweist.
Zum Thema sterben möchte ich daraufhinweisen, dass es zwar nicht so direkt angesprochen wird, aber es eine Diskussion zum Thema Sterbehilfe gab, die auch ein bisschen mit dem Thema Abtreibung zusammenhängt. Bei beiden wird nämlich die Würde eines Menschen verhandelt oder bestritten. (Bücher sind da „Sterbehilfe im Säkularen Staat“, Gegenthese: „Sterbehilfe ist ein anderes Wort für töten“,“Würde“ – vom anderen Hirnforscher Gerald Hüther …) Und natürlich die berühmten fünf Phasen des Sterbens mit Elisabeth Kübler-Ross. Damit bin ich über ein Videospiel in berührung gekommen: https://gamejolt.com/games/eternally-us/2274
… ich finde, man sollte alten Menschen die Einsamkeit nehmen können, aber man muss auch sehen, dass es manchmal genau die es sind, die diese Einsamkeit per Ideologie bestellt haben. Da gibt es eig für die Jugend Verhandlungsgewicht: Ja, wir sind für euch da, aber dafür dürft ihr nicht auf Leute wie Merz hören und sollte politische Entlastung wählen inklusive Klimawandel. (diese Forderung muss nicht mal formuliert werden, wenn die Jugend sich für den Wettbewerb aufopfert, fällt zB die Familie automatisch hinten runter)
Ich meinte „Sterbehilfe ist nur ein anderes Wort für Töten“, ein Artikel in der Stuttgarter Zeitung… Speamann hat aber auch ein Buch dazu geschrieben
https://web.archive.org/web/20100709071145/http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/1033896_0_2147_sterbehilfe-ist-nur-ein-anderes-wort-fuer-toeten.html
Und ich will bei den letzten Sätzen nicht so kaltherzig rüberkommen. Es geht um menschenwürdiges Sterben aber auch Leben.