Triggerpunkte. Man drückt irgendwo am Fuß und es juckt einem das Ohr, soweit die therapeutische Praxis. Es sei denn, man will jemanden ärgern. Dann tritt man gegen das Schienbein und es schmerzt im ganzen Körper. So, metaphorisch, der Alltag der Politik. Steffen Mau und Soziologie-Kollegen haben unsere Diskurslandschaft vermessen. Wir alle sind dort zu finden, auf hochgradig vermeintem Gelände. Aber was wäre, würden wir alle anders denken? Das Angebot wird hier gemacht: Vier Diskurs-Arenen zu Ungleichheit, Migration, Identitätspolitik und den Klimafragen. Das ist die Heuristik – ein Werkzeug, keine Theorie -, die uns das sehen erleichtert. Und dazu das Konzept der Triggerpunkte. Selten haben wir ein so sorgfältiges, wirkmächtiges Angebot zur Gesellschaftsbeobachtung angeboten bekommen. Das Werk ist getan. Man muss es nur noch genau lesen, verstehen und anwenden wollen. Wir bemühen uns gute Leser zu sein und Soziologen zu werden. Außerdem heute: Hyperpolitik. Wir verlieren nur ein paar Worte und lesen dazu zur Souveränität des Guten, Trumps Hinterzimmerwahlkampf, FT Plädoyers für Waffenruhen in Gaza, die Corona-Aufarbeitungsversuche der Zeit und einiges mehr.
Komm’ in den Salon. Es gibt ihn via Webplayer & RSS-Feed (zum Hören im Podcatcher deiner Wahl, auch bei Apple Podcasts und Spotify). Wenn du Salon-Stürmer bist, lade weitere Hörer von der Gästeliste ein.
Literatur
- Gendersterne sorgen für Wut, Wärmepumpen ebenso, und außerdem erleben wir doch überall die große Spaltung der Gesellschaft – da die Urbanen, dort die auf dem Lande, hier die Regressiven, dort die Progressiven! So lauten viele Diagnosen, denen die Soziologen Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser in ihrer Studie “Triggerpunkte” widersprechen
- Warum gibt es zwar Aktivismus und viele politische Insta-Kacheln, aber keine großen Streiks, keine Klassenkämpfe? Die Gemengelage analysiert der Philosoph Anton Jäger in seinem Buch “Hyperpolitik”
- Ricarda Lang und Winfried Kretschmann erproben migrationsfeindliche Argumente
- Die Zeit versucht die Corona-Pandemie aufzuarbeiten. Es gibt dramatische Studienlagen, aber noch keinen adäquaten publizistischen Umgang mit ihnen
- Das Editorial Board der “Financial Times” fordert einen Waffenstillstand in Gaza
- Die NYT klärt darüber auf, wie sich Trump in den Vorwahlen bei den angeblichen Clinton-Strategien gegen Bernie Sanders was abschaut
- Der Wirtschaftspublizist Noah Smith plädiert für eine Drei-Staaten-Lösung im Nahost-Konflikt
- Carolin Amlinger macht sich im Merkur über den Fetisch rund ums gedruckte Buch lustig
- Marc Andreessons krudes Techno-Optimismus-Manifest
- Wie führt uns die Kunst zum Guten? Das erklärt die amerikanische Philosophin Iris Murdoch, die gerade wiederentdeckt wird, und deren Buch “Die Souveränität des Guten” erstmals auf Deutsch erschienen ist
„Es ist nicht das Buch, das wir retten müssen, sondern es ist das Lesen und der Text.“(Stefan Schulz). Tja, meiner Meinung nach ist das zu kurz gesprungen, weil auch das Lesen ein „Fetisch“ ist. Ist „Lesen“ das Decodieren von Texten der verschrifteten Mündlichkeit? Und ist das Hören mündlicher Schriftlichkeit dasselbe wie lesen? Wenn ich, Bibliothekar, zwanzig Schülern in einer „Lesenacht“ ein Buch mit einer Netto-Vorlesezeit von 90 Minuten in brutto 4,5 Stunden Gesamtveranstaltungszeit vorlese, dann bekomme ich manchmal die Nacherzählungen der Schüler von den Lehrern als Feedback. Der Spread des Leseverständnisses ist gewaltig und bestätigt die Leseforschung. Denn Lesen ist Denken, und zwar zeichen-gekoppeltes Denken, extrem voraussetzungsreich in Bezug auf den Erwerb dieser Fähigkeit und in Bezug auf das Elternhaus. Hierarchiehohes Denken ist heutzutage nur zeichengekoppelt möglich (Mathematik). Ein hierarchiehoher Satz in Rotkäppchen der Version Grimm hat vielleicht 30 Wörter mit kausalen, konditionalen oder finalen Nebensatzlogiken. Konkrete Substantive werden durch abstrakte Pronomen ersetzt, erfordern also zusätzliche Kapazitäten im Kurzzeitgedächtnis und es gibt Bezüge zwischen dem ersten Wort und dem letzten Wort im Satz. Ein extrem voraussetzungsreicher Denkprozess als Ergebnis langjähriger Lesesozialisation ermöglicht dieses Lesen. Das gelingt zuerst deshalb nicht mehr, weil in den Familien viel weniger dekontextualisiert miteinander gesprochen wird (anderswo, anderswie, anderswann). Wenn man Rotkäppchen oder einen anderen beliebigen, hierarchieniedrigen und demokratischen Text nun in der modernen Version mit 10 Wörtern pro Satz, ohne Nebensatz und abstrakte Platzhalter von Substantiven liest oder hört, am besten angereichert durch snackable Content-Infokästchen ohne Konjunktionen des Grundes oder des Zwecks, spielt es keine Rolle, ob man den Text in einem ledergebundenen Einband mit Goldschnitt liest oder sich von Siri vorlesen lässt. Das hierarchiehohe und zeichengekoppelte Denken wird in der „sensiblen Phase“ nicht erfolgreich eingübt , trotz massiver Kampagnen der Leseförderung mit Tablets, Handy und leichter Sprache. Oder vielleicht deswegen nicht? Der eigentliche Fetisch ist vielleicht der Drang zur Niedrigschwelligkeit.
Hi Stefan & Wolfgang, nutzt Ihr neuerdings eine KI, die vermeintliche Störgeräusche wie „Ähhs“ entfernt? Natürlich persönliche Meinung, aber ich habe die häufigen Schnitte eher störend als hilfreich gefunden.
Ach, waren das Schnitte? Ich dachte die BT Schnittstelle ist nicht in Ordnung…