Soziologie ist nicht einfach, was Soziologen tun. Soziologen können auch anderes machen. Und jeder kann Soziologie betreiben. Wenn aber ein Soziologe ein Buch als Soziologie ausflaggt, ist die Sache klar – denkt man. Andreas Reckwitz‘ Aufklärung zum „Verlust“ ist ein Buch, das vom Verdrängen handelt, obwohl es das nicht möchte, und das das Verrechnen ausspart, obwohl es das nicht sollte. Wir lesen es inspirativ, aber sind ziemlich kritisch. Danach liest Wolfgang aus einem Zug vor, Stefan referiert die Gedankengänge des Anthropic-Chefs. Wir besprechen die „Agenda 2035“ der Chefs der großen Beratungsfirmen, die vorgestern noch naiv schien, morgen aber schon politisches Programm und im Januar Realität sein kann. Zum Schluss heute zwei musische Ausklänge.
Komm’ in den Salon. Es gibt ihn via Webplayer & RSS-Feed (zum Hören im Podcatcher deiner Wahl, auch bei Apple Podcasts und Spotify). Wenn du Salon-Stürmer bist, lade weitere Hörer von der Gästeliste ein.
Literatur
- Der Soziologe Andreas Reckwitz liefert mit „Verlust. Ein Grundproblem der Moderne“ eine neue Gegenwartsdiagnose. suhrkamp.de
- Der schmale, aber gewichtige Roman „Weiter nach Osten“ der französischen Schriftstellerin Maylis de Kerangal erzählt von einem jungen Russen, der zum Militärdienst eingezogen wird, sich dem aber zu entziehen sucht. In der transsibirischen Eisenbahn trifft er auf eine wohlhabende Französin. Aus dem Französischen von Andrea Spingler.
- Die Chefs von McKinsey, Boston Consulting und Roland Berger haben einen Plan für Deutschland. Die Regierungskrise macht den Weg offenbar frei. handelsblatt.com
- Der Ökonom Tom Krebs analysiert in seinem Buch „Fehldiagnose“, wie noch immer marktliberale Einschätzungen zu falscher Politik führen. Dabei blickt Krebs vor allem auf Reallohnentwicklung und Inflation. westendverlag.de
- Dario Amodei, Chef von Anthropic (Claude.AI), hat einen sehr ausführlichen Text voller Zukunftsszenarien geschrieben. Wir lesen, leicht gegruselt. darioamodei.com
- Auf der Plattform „Polymarkets“ wird auf alles gewettet, vor allem politische Ereignisse werden immer wichtiger. Francis Northwood erklärt das Phänomen in „The Baffler“. thebaffler.com
- Die NYT rätselt, ob die Trump-Wähler doch eher traurig als wütend sind. Covid könnte nachwirken. nytimes.com
- Die britische Zeitung Byline Times traut sich, Unaussprechliches weiterzudenken. Was passiert, wenn Trump eskaliert? bylinetimes.com
- Bei TikTok gibt es einen neuen Trend, der den perfekten Schlaf verspricht. Daisy Jones zeigt sich in der „Vogue“ skeptisch. vogue.de
- Gabriel Yoran hat mit „Schleichwege zur Klassik“ einen Schmöker mit Musik geschrieben. suhrkamp.de
- Das Quatuor Modigliani hat – intensiv und präzise interpretiert – ein Streichquartett von Edvard Grieg und eines von Bedřich Smetana eingespielt. spotify.com
Danke, danke, danke, dass ihr mir wieder ein ärgerliches Buch zu lesen erspart habt, näml den neuen Reckwitz. Eure Kritik daran kann ich gut nachvollziehen. Wir theoriefreundliche Boomer in den Erziehungswissenschaften/Politikwissenschenschaften (später Soziologie) und Philosophie sagten zu sowas: Armchair-Gelaber, nicht fröhliche Wissenschaft, sondern armselige Wissenschaft. Als auch die Bürgerlichen im Wissenschaftsbetrieb dann spätestens in den 80ern davon die Nase voll hatten, machten sie die großartige Erfahrung ihrer 1. Negation damit und erfanden die „empirische Wende“, die sich sofort als empiristische entpuppte, denn auch hier war als Theorierahmen (aka „Konzept“) bloß der (Neo-)Positivismus im Denkraum, denn sowohl Dialektischer Materialismus als auch Luhmanns Theorie sozialer Systeme waren als „Großtheorie“ und angeblich unwissenschaftlich dermaßen abgewertet, dass es für Wissenschaftler zum guten Ton gehörte, sie abzulehen ohne sie zu kennen. Also ohne jemals etwas von Hegel, Marx, Althusser …. Luhmann überhaupt gelesen zu haben.
Reckwitz kann sich so eine Zumutung als Buch eigentlich nur erlauben, weil er schon eine Marke ist, eben „der neue Reckwitz“, als 1. Buch oder gar als PhD wär das hoffentlich durchgefallen. Aber ich seh schon, die Hoffnung stirbt als letztes, denn tatsächlich ist alles noch viel schlimmer
Richtig gruselig, Amodeis Visionen. In einer 1991 Blase kann man da vllt noch zufriedene Konsumenten sehen. In jeder anderen Welt Bedarfs-Soldaten, Arbeiter mit ferngesteuerter Leistungsfähigkeit oder Schlimmeres. Er gehört wohl zu denen, die entrückt sind und – leider – mit Macht ausgestattet.