Salon

Wir lesen02/2023Harry „Reserve“, Chokepoint Capitalism, Bret Easton Ellis, Fratzschers Rentiers, Twitter in Indien, Oxytocin, Reschke Fernsehen

Prinz Harry wird niemals König. Das wissen er und der Rest der Welt, sofern er sich dafür interessiert. Herold, wie er heißt, hält diesen Rest der Welt für eine ziemlich große Angelegenheit. Aber er durchblickt nicht ganz, worum es den Leuten geht. Aufmerksamkeit, das ist das Lebensthema der royalen Familie in England. Sie müssen nicht um sie kämpfen, sondern sich gegen sie wehren. Sie können sie untereinander verteilen, wie Titel und Ländereien. Aber nun wurde Harry verstoßen und doch erhebt er Ansprüche, er will offenbar der erste moderne Influencer-König der Herzen werden. Es misslingt ihm, zumindest mit diesem Buch. Wir lesen es als inhaltsleeres Deutungsangebot unserer wirren Zeit.

Im Anschluss befassen wir uns mit Cory Doctorows und Rebecca Giblins Würgegriff Kapitalismus. Wir lernen neue Worte, wie Monopsony, und Konzepte des Geldmachens, so detailreich, wie bei niemanden sonst. Das Buch über das Schicksal der Creator-Economy, also die gesamte Kulturlandschaft, ist wichtig für das Verständnis unserer neuen Gesellschaft und als Stichwortgeber für die Politiker, die hier eingreifen können. Wir reden außerdem über die katastrophale Demografie in China, die die Politik vor viel größere Herausforderungen stellt, als alle bislang dachten. Wolfgang schwärmt von Bret Easton Ellis neuem Roman nach langer Pause. Zudem noch ein Update zum Oxytocin.

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Literatur

  1. Prinz Harry hat mit “Reserve” eine äußerst merkwürdig Autobiographie geschrieben bzw. schreiben lassen, die qualvoll zu lesen, aber durchaus erhellend ist, wenn man etwas über den Zeitgeist erfahren möchte
  2. Science-Fiction-Autor und Tech-Experte Cory Doctorow schreibt in “Chokepoint Capitalism” gemeinsam mit Rebecca Giblin gegen die Monopole im Silicon Valley an und zeigt, wie systematisch Kreativität gehemmt wird
  3. Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux erzählt in ihrem Büchlein “Der junge Mann” von einer Liaison mit einem dreißig Jahre jüngeren Mann. Ein interessantes Thema, jedoch ist der Text zu kurz
  4. 60 Jahre Élysée-Vertrag, das war den Regierungschefs Macron und Scholz nicht nur eine Photo-Opportunity, sondern auch ein Text wert. Sie schreiben über den Krieg und die Zukunft
  5. Bret Easton Ellis wurde durch “American Psycho” weltberühmt, doch es wurde in letzter Zeit still um ihn. Nun überrascht Ellis die literarische Welt nach 13 Jahren mit einem neuen Roman, der zum Niederknien schön, spannend und traurig ist
  6. Marcel Fratzscher hat in der Zeit über die 800.000 Privatiers geschrieben, die wir in Deutschland dulden. Wer Bürgergeld erhält, wird zur Arbeit getrieben. Warum treiben wir die anderen nicht auch?
  7. Die Ukraine ist seit fast einem Jahr auch ein Labor für neue Waffentechniken, nicht zuletzt deshalb blicken Militärs und Vertreter der Rüstungsindustrie auf diesen Krieg mit großem Interesse, wie Katie Bo Lillis und Oren Liebermann für CNN erklären
  8. Dank Gen-Manipulation lassen sich die Oxytocin-Rezeptoren aus Mäusen herausschneiden. Was ändert das am Verhalten der Nager? Eigentlich nix. Katherine J. Wu schreibt in Atlantic über die neusten Forschungsergebnisse zum „Kuschelhormon“
  9. Twitter und YouTube haben wohl in Indien auf Anweisung von Modis Regierung Posts zensiert. Das berichten Murtaza Hussain und Ryan Grim in “The Intercept”
  10. Die chinesische Regierung hat sich verrechnet. Es gibt künftig noch viel weniger Chinesen, als man bislang dachte. Yi Fuxian beschreibt im Gespräch, was das für die politischen Pläne der Supermacht bedeutet
  11. Für den “Freitag” hat sich Laura Ewert die neue Politik-Comedy-Show von Anja Reschke angesehen (damit wir es nicht tun müssen) und kluge Überlegungen zu Politik und Unterhaltung angestellt

 

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Wolfgang
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Mathias

3 Gedanken zu „Harry „Reserve“, Chokepoint Capitalism, Bret Easton Ellis, Fratzschers Rentiers, Twitter in Indien, Oxytocin, Reschke Fernsehen

  1. Christoph Rottmeier

    Hallo Ihr beiden
    Grossen Dank für die Zwanziger und den Salon!
    Zu Harry: die Vogelszene hat Max Goldt praktisch identisch schon in «Auf der Flucht vor der Koralle» vorweggenommen. Man könnte meinen, ‚Harry‘ habe abgeschrieben.

    Herzliche Grüsse aus Winterthur
    Christoph

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  2. Vincenz

    Hi ich wollte ganz kurz einen Gedanken zu der ChatGPT-Thematik äußern…
    Was mich an dem Thema ChatGPT, Dall-E, Gen-1 usw gerade am meisten beschäftigt, ist meine Beobachtung, daß diese Algorithmen, zu einem gewissen Grad, den Prozess des Kreierens zu einem Prozess des Konsums zu verkehren scheinen. Gerade bei der Bildgenerierung wird dies relativ deutlich. Ich frage mich sehr was für kulturpsychologischen Entwicklungen eine solcher „Polsprung“ nach sich ziehen wird. Speziell in Bezug auf Macht und die Selbstkonstruktion des Individuums in Bezug auf seine „Potenz“… Auch frage ich mich, in Anlehnung an den „Doppelcharakter der Prothese“(Oliver Decker/Sarah S. Jain), der die Selbsterweiterung als „simultaneously enabling and wounding“ beschreibt, welche Wunden ein solches Externalisieren des „schöpferischen Aktes“ sonst noch so schlagen könnte…
    wie schon anklingt, mir schwant nichts gutes…

    Für anregende Gedanken dazu wäre ich dankbar…
    Schöne Grüße

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  3. Chris

    Zu Reschke Fernsehen:
    Da hätte Frau Ewert sich die elends komplizierte Erklärung zur 10h-Regel mal besser doch bis nach dem ersten Satz angeschaut. Das h steht für die Höhe des Windrads(und damit dessen Entfernung von Wohnbebauung 10xHöhe=Abstand) nicht für Stunden. Ein Fehler der mich schon daran zweifeln lässt ob sie sich das jemals angesehen hat oder ob da nur irgendeine Sendung für ihren latenightmedienkritiksgedanken herhalten musste. Mich haut die Sendung jetzt auch nicht vom Hocker, aber wie ihr immer feststellt: Fernsehen ist nicht für uns, sondern Tante Erna. Und für die bayrische Erna ist es vllt gar nicht schlecht sowas noch einige Male vorgespielt zu bekommen, bevor dieses Jahr wieder gewählt wird. Und sei es von einer Exilbayerin im NDR.

    Super Podcast, gute Folge, weiter so 🙂 Liebe Grüße aus Bayern

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