KÄS-Termine 2025
Fr. 19.09. / Fr. 19.12.
Kontakt per Mail: neuezwanziger@diekaes.de
SOMMERSALON am 23. August! Tickets gibt es hier
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00:00:00 Vor dem Salon
Wolfgang und Stefan kündigen ihren bevorstehenden Live-Podcast in Frankfurt an und steigen dann mit einem aktuellen Trendthema ein: Labubus. Sie analysieren das Phänomen der kleinen Sammelfiguren des chinesischen Unternehmens Popmart, die weltweit einen Hype ausgelöst haben. Diskutiert werden die strategische künstliche Verknappung, der hohe Sammlerwert und die geopolitische Dimension: China entwickelt sich von der „Werkbank der Welt“ zu einer Nation, die mit eigenen Marken und IPs kulturelle Softpower global etabliert. Der Hype wird auch als Ausdruck einer gesellschaftlichen „Verplüschung“ interpretiert – ein Wunsch nach Trost und Kuscheltieren in harten Zeiten.
00:13:14 Alaska-Gipfel
Das Treffen zwischen Trump und Putin in Alaska wird analysiert. Während die Körpersprache zunächst einen Vorteil für Putin nahelegt, ist das Ausbleiben eines schnellen Deals keine Überraschung. Die Diskussion kritisiert die spekulative Medienberichterstattung im Vorfeld und beleuchtet die sich wandelnde Haltung zum Ukraine-Krieg. Im Kontrast zu harten Forderungen nach einem militärischen Sieg Russlands steht die neue Rhetorik von Bundeskanzler Friedrich Merz, der nun auf einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen drängt. Empfohlen wird die Arte-Doku „Die Nuklearfalle“, die die Abhängigkeit der USA von russischem Uran für ihre KI- und Energie-Ambitionen aufzeigt. Abschließend wird ein Film von Wim Wenders kritisiert, der eine problematische Analogie zwischen der Kapitulation im Zweiten Weltkrieg und dem heutigen Ukraine-Konflikt zieht.
00:43:12 Trumps demographische Siegeserklärung
Stefan beleuchtet die weitreichenden Folgen von Donald Trumps Politik, die erstmals seit 50 Jahren zu einer negativen Migrationsbilanz in den USA geführt hat. Er skizziert, wie Einwanderung seit den 1960er Jahren das enorme Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum der USA befeuert und die amerikanische Softpower gestärkt hat. Die Abkehr von dieser Politik gefährdet ein prognostiziertes BIP-Wachstum von fast neun Billionen Dollar und schwächt den Wissenschafts- und Technologiesektor, der stark von „importierter Kompetenz“ abhängig ist – über die Hälfte der promovierten Informatiker und Ingenieure sind nicht in den USA geboren. Die zentrale These lautet, dass die gigantischen Investitionen in KI auf der spekulativen Hoffnung beruhen, dieser von Menschen verursachte demografische und ökonomische Aderlass könne durch Maschinen kompensiert werden.
00:58:57 Salon für Juli 2025
Ein kurzer Übergang zum Hauptteil des Salons.
00:59:54 Empire of AI & Sam Altman
Im Zentrum steht die Diskussion zweier Bücher über OpenAI und seinen Gründer Sam Altman. Die Debatte dreht sich um die quasi-religiöse Überzeugung der Tech-Elite, eine künstliche Superintelligenz (AGI) erschaffen zu können, die alle Probleme der Menschheit löst. Dieser Glaube rechtfertigt einen neuen, digitalen Kolonialismus: die rücksichtslose Ausbeutung von globalen Daten, menschlicher Arbeitskraft in Billiglohnländern (Clickworker) und natürlichen Ressourcen wie Wasser. Sam Altmans manipulative und lügenhafte Führungskultur sowie die internen Machtkämpfe, die zu seiner kurzzeitigen Entlassung führten, werden detailliert nachgezeichnet. Kritisiert wird auch das enge Bündnis zwischen den Tech-Konzernen und dem US-Staat, das weit über normale Lobbyarbeit hinausgeht. Die ökonomische Vision, menschliche Arbeit durch KI zu ersetzen und die Bevölkerung mit einem Grundeinkommen zu versorgen, wird als fundamental fehlerhaft und nicht-kapitalistisch entlarvt, da sie die Quelle der Wertschöpfung – die menschliche Arbeit – eliminiert.
03:00:30 Dorothee Elmiger: Die Niederländerinnen
Wolfgang empfiehlt den Roman „Die Holländerinnen“ von Dorothee Elmiger. Das Buch besticht durch seine komplexe Erzählstruktur: Es handelt sich um die Mitschrift einer Poetikvorlesung, in der eine Schriftstellerin über ihre Teilnahme an einem Theaterprojekt berichtet, das wiederum das Verschwinden zweier Frauen im Dschungel untersucht. Das gesamte Werk ist in indirekter Rede verfasst, wodurch mehrere Reflexionsebenen entstehen. Trotz dieser intellektuellen Konstruktion gelingt es dem Roman, eine unmittelbare und ergreifende Wirkung zu entfalten und zentrale Fragen über Literatur, Verantwortung und die Möglichkeit ekstatischer Erfahrung zu stellen.
03:14:12 Carlott Bru: Wohnungstausch: Ich will deine, nimm du meine
Basierend auf einem Artikel aus „Die Zeit“ analysiert Stefan, warum das Konzept des Wohnungstauschs in Deutschland scheitert. Das Hauptproblem ist ökonomischer Natur: Ältere Menschen in großen, günstigen Altbauwohnungen haben keinen Anreiz, in deutlich teurere, kleinere Wohnungen mit neuen Mietverträgen zu ziehen. Statistiken belegen das Missverhältnis: Auf eine Person, die sich verkleinern will, kommen fünf Parteien, die eine größere Wohnung suchen. Staatliche Tauschprogramme haben nur marginalen Erfolg. Das Fazit: Wohnungstausch ist eine gut gemeinte Idee, die an der Realität des Mietmarktes und den finanziellen Anreizen zerschellt.
03:20:31 Ted Kaczynskis Manifest
Wolfgang wirft einen Blick auf das 30 Jahre alte Manifest des „Unabombers“ Ted Kaczynski und zeigt dessen verblüffende Aktualität auf. Kaczynskis Hauptfeind war nicht nur die Technologie, sondern der von ihm definierte „Leftismus“, der Feminismus, Homosexuellen-Rechte und Political Correctness umfasst. Viele seiner Argumente – die Kritik an einer übersozialisierten Gesellschaft, der Hass auf westliche Zivilisation und Rationalität – finden sich heute eins zu eins in den Diskursen der Neuen Rechten und im Kulturkampf wieder. Wolfgang dekonstruiert Kaczynskis Denken als inkohärent, da es den Kapitalismus ignoriert und paradoxerweise ein hochmodernes Konzept wie „Selbstverwirklichung“ einfordert, um die Moderne zu bekämpfen.
03:43:17 Isolde Ruhdorfer: Es ist kein Zufall, dass Russland ukrainische Kinder entführt
Stefan präsentiert alarmierende demografische Zahlen aus einem Krautreporter-Artikel. Die Bevölkerung der Ukraine ist seit den 90er-Jahren von über 50 Millionen auf heute geschätzte 38 Millionen oder weniger geschrumpft. Allein zwischen 2022 und 2023 gab es einen Rückgang von 8,1 Prozent. Gleichzeitig kämpft auch Russland mit einer demografischen Krise und hat die Veröffentlichung von Geburten- und Sterblichkeitsstatistiken eingestellt. Der Text legt nahe, dass Russlands demografischer Kollaps ein zentraler, uneingestandener Kriegsgrund sein könnte, um durch die Annexion der Ukraine die eigene Bevölkerung zu vergrößern.
03:47:30 Marie-Kristin Boese: Als kolumbianischer Söldner im Ukraine-Krieg
Wolfgang fasst einen Tagesschau-Bericht über kolumbianische Söldner zusammen, die für die Ukraine kämpfen. Hauptmotivation ist das Geld: Statt 400 Dollar in der heimischen Armee verdienen sie 3.000 Dollar im Monat. Der Artikel schildert die brutale Realität des Krieges, insbesondere die erdrückende russische Überlegenheit bei Drohnen. Diese Söldner werden als „Kanonenfutter“ eingesetzt und riskieren zudem, bei einer Gefangennahme von Russlands Verbündeten wie Venezuela direkt an Moskau ausgeliefert zu werden.
03:51:01 Carl Zimmer: For Some Patients, the ‘Inner Voice’ May Soon Be Audible
Stefan erörtert einen Artikel der New York Times über Fortschritte bei Gehirn-Computer-Schnittstellen. Forscher können inzwischen Sprache mit hoher Genauigkeit direkt aus der Gehirnaktivität von gelähmten Patienten dekodieren. Die Technologie wirft jedoch grundlegende ethische Fragen zur „mentalen Privatsphäre“ auf: Wie stellt man sicher, dass nur bewusst zur Kommunikation gedachte Gedanken ausgelesen werden und nicht die unkontrollierte „innere Stimme“? Die Forschung stößt dabei an die Grenzen des Verständnisses, wie das Gehirn überhaupt denkt, bevor Gedanken in Sprache formuliert werden.
04:00:47 Tichys Einblick: Friedrich Merz, hör die Signale, es ist das letzte Gefecht
Im Rahmen einer „Feindbeobachtung“ seziert Wolfgang einen Artikel des rechtskonservativen Magazins „Tichys Einblick“. Der Text attackiert Bundeskanzler Friedrich Merz scharf von rechts, macht ihn für die steigende Zahl von Insolvenzen verantwortlich und wirft ihm Wortbruch bei Steuersenkungen vor. Wolfgang identifiziert als treibende Kraft dahinter den reaktionären Lobbyverband „Die Familienunternehmer“ und interpretiert den Artikel als Versuch, eine Brücke für enttäuschte konservative Unternehmer zur AfD zu bauen. Die im Artikel geäußerte Kritik an der Staatsverschuldung wird als ökonomisch ignorant entlarvt, da sie verschweigt, dass diese Ausgaben größtenteils wieder in die Privatwirtschaft zurückfließen.
04:08:54 Novus Quartet spielt Brahms Streichquartette
Zum Abschluss gibt es eine musikalische Empfehlung von Wolfgang: eine neue Einspielung der drei Streichquartette von Johannes Brahms durch das Novus Quartet. Er erläutert, wie sehr Brahms unter dem Erbe Beethovens litt und sich lange schwertat, seine eigenen Quartette zu veröffentlichen. Die Interpretation des Novus Quartetts wird für ihren vollen, symphonischen „Schönklang“ gelobt, der die dichte motivische Arbeit und die komplexe Struktur der Werke zugänglich macht und auch Brahms-Skeptiker begeistern kann.
Literaturliste
- Erleben wir einen neuen Kolonialismus? Ja, sagt Karen Hao und erklärt in ihrem Buch “Empire of AI. Dreams and Nightmares in Sam Altman’s OpenAI”, wie die KI-Konzerne sich die digitale sowie analoge Welt einverleiben und wie Altman immer mächtiger werden konnte. penguin.co.uk
- Wer ist der Erfinder von ChatGPT? Keach Hageys Biografie “Sam Altman. OpenAI, Künstliche Intelligenz und der Wettlauf um unsere Zukunft” erzählt die erstaunliche Geschichte des neuen Silicon-Valley-Gurus. bastei-luebbe.de
- Zwei Holländerinnen verschwinden bei einer Wanderung durch den lateinamerikanischen Regenwald. Eine Schriftstellerin und eine Truppe um einen Theatermacher spüren ihnen nach. Abgründe und existenzielle Erfahrungen tun sich in dem grandiosen Roman “Die Holländerinnen” von Dorothee Elmiger auf. hanser-literaturverlage.de
- Der Wohnungstausch ist eine Verlegenheitslösung in der Wohnkrise, die es nur in Form von Hoffnung und Glauben gibt. Carlotta Brühwiler hat darüber geschrieben. zeit.de
- Vor 30 Jahren erschien das Unabomber-Manifest von Ted Kaczynski. Liest man es heute erneut, begegnet man nahezu sämtlichen aktuellen rechten Diskursen. edition-nautilus.de
- Demografie bestimmt den Ukraine-Krieg, schreibt Isolde Ruhdorfer. Um beide Länder steht es dramatisch schlecht. krautreporter.de
- Wer kämpft eigentlich in der Ukraine außer Ukrainern? Zum Beispiel kolumbianische Söldner, berichtet Marie-Kristin Boese. tagesschau.de
- Künstliche Intelligenz liest neuerdings menschliche Gehirne aus. Zum medizinischen Fortschritt und unserer “mentalen Privatsphäre” schreibt Carl Zimmer. nytimes.com
- Was denkt der konservative und rechte Mittelstand über Friedrich Merz? Offenbar will man schon bald eine AfD-Regierung. tichyseinblick.de
- Johannes Brahms hat drei große Streichquartette komponiert, das faszinierende Novus Quartet hat sie neu eingespielt. aparte.lnk.to
Zur Komplexität/Verständlichkeit/Nachvollziehbarkeit neuronaler Netzwerke: Ich habe einen Vortrag eines Mathematikers an der Universität Bern gehört. Ich habe dort gefragt, ob man eine Art „einfachsten Fall“ herstellen kann, der berechenbar/nachvollziebar ist. Antwort: Nein, gibt es nicht; es ist alles trial & error. Man schraubt also solange an den Parameter bis das Ding das ausspuckt, was man will. Fand ich irgendwie beängstigend. Um fair zu sein: Newton und Leibniz haben Differential- und Integralrechnung auch ohne solides mathematisches Fundament verwendet. Allerdings hat man deren Theorien historisch „reifen“ lassen. Leider habe ich keine Mitschrift oder dergleichen dieses Vortrags, aber der Mann heisst Andrea Agazzi.
https://www.physik.unibe.ch/ueber_uns/aktuell/physik_am_freitag/2025_physik_nobelpreis_2024_die_grundlagen_der_kuenstlichen_intelligenz/index_ger.html
Mich wundert Wolfgangs Argumentation, der Glaube an AGI sei religiös und finde eher seinen Nichtglauben religiös argumentiert.
Wenn wir annehmen, dass die Dinge um uns herum einfache nur Physik sind, dann gilt das auch für den Menschen und seine Erfahrung von Bewusstsein. Und wenn dem so ist, gibt es keine prinzipiellen Gründe, warum das nicht technisch nachgebildet werden kann.
Um eine klare Trennung zwischen dem technisch Möglichen und dem Menschlichen zu argumentieren muss man das menschliche Bewusstsein außerhalb der Physik verorten, auch bekannt als Seele.
Dabei ist natürlich nichts darüber gesagt, ob LLMs Teil dieses Wegs sind. Aber ein Glaube daran, dass menschliches Denken und Erfahren prinzipiell nicht technisch abbildbar ist, klingt für mich religiös.
Die offene Frage ist eher, ob diese Physik numerisch berechenbar ist. Wir bauen ja kein biologisches oder physikalisches Substitut eines Gehirns, sondern ein auf numerischer Mathematik aufbauendes, theoretisches Substitut. Numerische Berechenbarkeit hat aber durchaus Grenzen.