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Wir lesen07/2020Hamilton, Erbe für alle, China vs. Amerika, 628 Milliarden, Nindo, Gerichte als Bühnen

Um 628 Milliarden Dollar ist der Reichtum der amerikanischen Milliardäre von März bis Mai gewachsen. Diese Coronadividende fehlt anderswo: 164 Millionen Migrantworkers – Pflegekräfte in London, Ingenieure in Paris, Gärtner in Chicago – versorgen in normalen Zeiten 800 Millionen Menschen in Afrika, Asien und im Mittleren Osten. Die Weltbank hat es nun nachgerechnet, Corona brachte in kurzer Frist die Armut im globalen Maßstab zurück. In Europa, wo uns Corona die Arbeitswelt mancher Arbeitsmigranten vorführte, wurden im Juli still und heimlich die LKW-Fahrer übers Ohr gehauen.

Vor China entwickelt sich gerade ein neuer großer Krieg. Noch wird er rein ökonomisch geführt, was das alles schon heute zum Weltkrieg macht. Wir hören Stephan Bierling zum Thema und Wolfgang liest aus „Der kommende Krieg“ von Ingar Solty. Wir vergleichen zu diesem Anlass #Portland und #Hongkong. Trump und Xi wollen durchgreifen. Doch während der eine spektakulär an seiner Inkompetenz scheitert, zeigt der andere autoritäre Rafinesse die scheinbar von keiner demokratischen Idee noch eingefangen werden kann. Weder vor Ort, noch hier.

In Deutschland endete im Juli eventuell der letzte NS-Prozess. Allerdings liefen im Juli auch die Prozesse zum Attentat von Halle und dem Mord an Walter Lübcke. Für manche Beteiligte ist dies lediglich Etappe im größeren Spiel, sie nutzen den Gerichtssaal als ihre Bühne. Wer wissen will, wer auf den Bühnen gerade vorne steht, kann bei Nindo nachschauen. Wir besprechen die Zahlenwerke kurz und reden auch über Hamilton. Wolfgang bleibt spektisch. Stefan findet es toll und empfiehlt es euch. Gemeinsam warten wir außerdem auf Tenet, Christopher Nolans Zeitreisefilm. Er hat nun ein deutsches Datum für den Kinostart. Wenn alles gut geht, sprechen wir schon im August darüber.

Komm’ in den Salon. Neu ist eine Gästeliste für diejenigen, die sich nicht beteiligen können. Trage dich ein, damit dich die Gastgeber finden. Oder werde Gastgeber, um Hörer mit in den Salon zu nehmen.

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Mathias

9 Gedanken zu „Hamilton, Erbe für alle, China vs. Amerika, 628 Milliarden, Nindo, Gerichte als Bühnen

  1. Alex

    Hallo zusammen,

    mal wieder eine grandiose Episode! Eine Kleinigkeit würde ich gerne korrigieren, da ich hier relativ tief im Thema stecke: Der von Wolfgang zitierte Tweet von Elon Musk ist eine ironische Botschaft. Musk ist Zyniker und tweetet häufiger in diesem Stil. Tesla bezieht kein Lithium aus Südamerika und hat das auch noch nie.

    Ich möchte Empfehlen sich mit der Persona Musk etwas näher auseinanderzusetzen, sie wird uns in den neuen Zwanziger noch ausgiebig Beschäftigen. Meiner Einschätzung nach ist er einer von uns, also ein „links-grün-versiffter Gutmensch“. Er hat allerdings im Gegensatz zu vielen anderen, die nur auf Twitter herumpöbeln und immer alles besser wissen wollen, verstanden wie Kapitalismus funktioniert. Sowie, dass man diesen nicht von heute auf morgen abschaffen kann und das auch nicht muss, wie man seine Ziele in diesem System erreichen kann und hat das auch noch in die Tat umgesetzt.

    Sowohl Tesla als auch SpaceX und OpanAI sowie Neuralink haben das Potential Kapital von „oben“ nach „unten“ umzuverteilen oder zumindest mehr Wohlstand in ärmere Schichten zu bringen.

    Natürlich macht auch Elon Musk Fehler und hat in einigen Punkten auch sehr diskutable Ansichten. Jedoch sollte man zumindest in Betracht ziehen, dass solche Äußerungen ironisch bzw. zynisch gemeint sein könnten.

    Macht weiter so!
    Grüße, Alex

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  2. Marie

    Interessanter Weise wurde die Gesetzesänderung in Sachen Fernfahrer in einer Nachrichtensendung sehr wohl ausführlich diskutiert: in Logo! — Stefan, gucken Deine Kinder das nicht? 🙂
    Dort wurde die Intention des Gesetzes so dargestellt, wie man es sich natürlich wünschen muss — dass die Fahrer/innen regelmäßig zu ihren Kindern nach Hause kommen können.

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  3. Henrik Hupe

    Hallo Wolfgang und Stefan,
    Ich erlaube mir 2 kleine Anmerkungen:
    1. Ich glaube das Format könnt ihr noch ein wenig nachschärfen, wenn ihr darauf achtet, bei jedem Thema am Ende (zumindest kurz) noch auf die 10 Jahre Perspektive einzugehen. Manchmal macht ihr schön deutlich, was die langfristige Vision zu einem konkreten Thema ist. Aber es gibt auch Fälle, wo ihr die Themen besprecht und dann weiterzieht. Ein Beispiel aus dieser Folge, wo es mir aufgefallen ist: Das EU-Truckergesetz. Während ihr kurz das Nachwuchsproblem ansprecht, was ein riesiges Thema für die gesamte Logistikbranche in Europa sein wird, fiel glaube ich kein Wort über die dem gegenüberstehende Voll-Automatisierung der Branche, wovon Millionen von Arbeitsplätzen betroffen sein werden. Ich verweise hier auf die PBS Frontline Doku zum Thema AI, die Tilo Jung mal in den Aufwachen Podcast mitgebracht hatte.
    2. Zu Nindo: Sehr schön diskutiert, hat mir gefallen. Verweise noch auf die Black Mirror Folge „Nosedive“ und das Buch „Zero“ von Marc Elsberg, die beide eine Zukunft aufzeigen, in der das Rating aller Individuen als „Währung“ benutzt wird, mit jeweils furchtbaren Folgen. Während Nindo nur ein loser Fingerzeig in diese Richtung ist, kann man es schon auch als Ausblick sehen wo dieses ewige „Wo stehe ich heute online? Wie ist mein Rating?“ hinführen kann.
    Vielen Dank für eure großartige Arbeit & alles Gute!

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  4. Dennis

    Bin noch nicht ganz durch mit hören, aber trotzdem an der Stelle zwei Kommentare zur China vs. USA Diskussion.

    Zu den Konfuzius-Instituten:
    Auf den ersten Blick schauen das Goethe-Institut und die Konfuzius Institue recht ähnlich aus. Beide widmen sich in aller erster Linie der Sprachförderung und Kulturverbreitung ihrer jeweiligen Heimatnation. doch gibt es einen signifikanten Unterschied zwischen beiden, der nicht zu unterschätzen ist, vor allem hinsichtlich ihrer „power projection“ im politikwissenschaftlichen Sinne.

    Das Goethe-Institut ist ein – aus Spenden (auch des AA) und eigenen Einnahmen finanzierter – privater Verein. Ziele und Agenda kann man gut in der Satzung nachlesen.

    Konfuzius Institute hingegen unterstehen unmittelbar dem so genannten Hanban, welches (grob vereinfacht) Teil des Bildungsministeriums ist, was grob übersetzt bedeutet (und diese Rechnung habt ihr Eingangs aufgemacht, aber dann leider vernachlässigt): Die KPCh schreibt das Lehrprogramm, welches in den Konfuzius-Instituten gelehrt wird. Und das sieht man Bildungsmaterial an, in dem halt nicht nur die Sprache vermittelt wird, sondern auch das politische Bild der KP über die Welt.

    Darüber hinaus sind die Institute mit sehr großen finanziellen Mitteln ausgestattet, immer direkt an Universitäten angesiedelt und finanzieren auch gerne mal einen ganzen Lehrstuhl. Nur wenige Universitäten verweigern sich der großzügigen Förderung, zumal China-Studien und Ostasienwissenschaften grob unterfinanzierte Fächer sind. FU Berlin, Hamburg, Duisburg, Trier, Bonn, Heidelberg, Göttingen – alle mit einem Konfuzius Institut ausgestattet. Die einzigen Unis in Deutschland mit einer relevanten Rolle in der China-Forschung ohne ein Konfuzius-Institut sind die Uni Bochum und die HU Berlin (Falls ich eine vergessen hab, bitte ich das zu entschludigen). Selbst wenn bis heute keine direkte Einflussname auf die Forschung und Lehre an den (deutschen) Universitäten stattgefunden hat, schwebt über allen das Damoklesschwert, dass die großzügige Förderung eingestellt wird… Das ist mehr als „einfache Kulturförderung“ im Sinne der bewährten Soft Power-Definition.

    Zu der anschließende politikwissenschaftlichen Theorie-Debatte will ich gar nicht so viele Worte verlieren. Die im Eingangsstatement gemachte Theorie-Betrachtung ist etwa die aus einem 1. Semester Seminar in Internationaler Politik. Zwei theoretische Schulen, grob vereinfacht Schema X ((Neo-)Realismus) und Y ((Neo-)Liberalismus). Was diese Themen angeht sind die Bücher dazu geschrieben, die Theorie ist auserzählt, die Prophezeiungen sind gemacht. Krieg kommt (X) oder nicht (Y). Und irgendwas mit Atomwaffen. Theoretisch alles ziemlich langweilig. Den – aus meiner Sicht – besten Einblick in diesen politischen Diskurs bieten „The Tragedy of Great Power Politics“ von Mearsheimer und „After Victory“ von Ikenberry, zwei der wichtiges Vertreter beider Schulen. Beide Bücher sind eine Leseempfehlung. Übrigens hochrelevant, weil die Schulen die wichtigsten Berater in der US-Außenpoltik repräsentieren und stellvertretend von Containment und Engagement Politik gegenüber aufstrebenden Mächten stehen.

    Die tatsächliche Komplexität der US-China Beziehungen habt ihr in eurer anschließenden Diskussion aber wirklich wunderbar aufgemacht (Interdependenzen in den Handelsbeziehungen und Ressourcen; Technologisches Know-How), tatsächlich geht’s noch weiter. Welche Rolle spielen Köpfe (Stichwort Xi Jinping: Die Radikalisierung der chinesischen Innen- und Außenpolitik ist ein Phänomen, welches unter seinen Vorgängern nicht existierte, gleiches gilt für Trump), welche Rolle spielen innerhalb eines Landes Zentrum und Peripherie (Stichwort: Homogenität in der KPCh: 80 Millionen Mitgliedern, lokale und regionale Kadern mit eigenen Macht- und Wirtschaftsinteressen, man erinnere an die Person Bo Xilai), welche Rolle spielen Institutionen (globale wie z.B. UN, WTO, WHO; sowie regionale wie z.B. ASEAN, ADB, SCO) und Systeme (Finanz- und Währungssystem), welche Rolle spielt die Zivilgesellschaft, welche Rolle spielt Nationalismus (sowohl für die USA als auch China hochrelevant) uvm.

    Letzlich kann sich kein politischer Akteur von den Dynamiken in all diesen Bereichen freimachen, wenn gleich die Eskalationen (vor allem) in der Handelspolitik eine Dimension angenommen hat, die die wenigsten Experten vorhergesehen haben.

    An dieser Stelle sei aber an euren eingespielten Kommentar von Mareike Ohlberg erinnert. Welche Rolle will eigentlich Deutschland oder die EU in der ganzen Thematik spielen, wenn hier in langwierigsten Abstimmungsprozessen eine gemeinsame Position des kleinsten gemeinsamen Nenners zu irgendeinem Thema gefunden werden soll, während China (z.B. One Belt, One Road Investitonen) und die USA (z.B. Waffenlieferungen nach Taiwan) „einfach“ Fakten schaffen. Divergierende Meinungen innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten nutzt China derweil heute schon gezielt aus. Die Rolle der EU ist eine der wichtigsten Fragen des kommenden Jahrzehnts. Wird die EU in allen oben gestellten Fragen ein relevanter Akteur in der internationalen Poltik oder bleibt die EU so stark wie ihr schwächstes Mitglied?

    Danke für euren Podcast. Macht Spaß zuzuhören.

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  5. David

    Ich verstehe bei der Frage, wer für einen Corona Test nach dem Urlaub finanziell aufkommen soll, einen ganz anderen Punkt nicht:
    Ja, es ist wahrscheinlich ziemlich dumm jetzt in den Urlaub zu fliegen, es ist aber auch erlaubt und ökonomisch gewünscht. So ist Rauchen, Alkohol trinken und anderes Risiko erhalten, für das wir als Kollektiv einstehen. Aber: Der Test wird doch nicht für die Person gemacht, die aus dem Urlaub zurück kommt und sich dann dafür interessiert, ob sie in den nächsten Wochen vielleicht im Krankenhaus landen könnte. Der Test ist ein Schutz der Gesellschaft vor möglichen Folgeschäden, wie beispielsweise nach Ischgl. Er soll dabei helfen, die betroffenen Personen möglichst schnell in Quarantäne zu bringen. Es gibt also ein gesellschaftliches Interesse daran, diese Tests durchzuführen – und da kann dann auch gerne die Solidargemeinschaft für aufkommen, wenn wir keine riesige zweite Welle erleben wollen.
    Für mich ist das ein erneutes Aufploppen eines Neoliberalen Denkmusters, das Eigenverantwortung über den Nutzen für die Allgemeinheit stellt.

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