Salon

Wir lesen04/2023Mangolds orange Pille, Köktürks Unsozialstaat, Williams Stories, Wagners Fahnenflucht, Boomer-Essen, Wehr ETFs

Ein Mann aus dem Reich der schönen Künste, er beschreibt sich selbst als technikinteressiert den Technikaffinen aber doch unterlegen, nur ausliefern möchte er sich ihnen nicht. Er möchte mitspielen. Das Spielgerät ist der Bitcoin und das Spielfeld die ganze Welt. Das Problem: Der Bitcoin ist mitnichten bloß eine technische Spielerei. Die Blockchain ist bis heute schöne Technik ohne realweltliche Funktion. Vielleicht wütet die Ideologie des Bitcoin deswegen so besonders, um zu meinen, dass dort, wo wirklich nichts ist, doch etwas sein könnte. Das verführt den Faszinierten: Wenn doch nur alle wüßten, was er weiß, dann würden sie verstehen und mit dem Verständnis käme die Akzeptanz. Bitcoin ist also entweder das Wundermittel, oder doch nur ein Schneeballsystem, als Geldgenerator für diejenigen, die schon Bitcoin haben. Aber auch in ideeller Hinsicht. Der Bitcoin braucht Überzeugungstäter, die ihn nicht nur als Geld verstehen, sondern als mehr, und die notfalls etwas erfinden, um eine phantastische Geschichte erzählen zu können. Ijoma Mangold ist in diesen Kaninchenbau gefallen. Wir lesen sein Buch „Die orange Pille“.

Darüber hinaus besprechen wir die Rolle des Nationalstaats in unserer hypermodernen Welt im Wandel, Cansin Köktürks gefühlvolle Abrechnung mit Deutschland als Sozialstaat und etliche weitere literarische und erklärende Literatur.

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Literatur

  1. Ijoma Mangold ist eigentlich Literaturkritiker, sein neues Buch handelt jedoch von seiner Bekehrung zum Bitcoin. Der Bitcoin, so die These von “Die orange Pille”, kann unsere ganze Welt verändern. Wir haben sicherlich noch nie ein derart komisches Buch im Salon gelesen.
  2. Joy Williams ist seit Jahrzehnten eine große US-amerikanische Schriftstellerin, die aber erstmals ins Deutsche übersetzt wurde. Höchste Zeit! Ihre “Stories” sind unheimlich, sie sind brillant und abgründig. Vor allem Schriftsteller wie Jonathan Franzen oder Bret Easton Ellis schätzen Williams’ Werk.
  3. Cansin Köktürk kennen wir als Gegnerin des Ampel-Koalitionsvertrags aus dem Fernsehen. Im Alltag ist sie Sozialarbeiterin, nun schrieb sie über den „Unsozialstaat Deutschland“
  4. Wie könnte ein Leben jenseits der staatlichen Ordnung aussehen? In seinem Buch “Fahnenflucht in die Freiheit” zeichnet der Kultursoziologe Thomas Wagner Fluchtbewegungen aus staatlichen Ordnungen und Repressionen nach
  5. Die Finnen sind laut UN Happiness Report das glücklichste Land der Welt. Was das bedeuten soll, klärt die NYT Reporterin Penelope Colston mit Gesprächspartnern vor Ort.
  6. In “Spektrum Wissenschaft” erklärt Manon Bischoff sehr anschaulich und verständlich, wie man Computern die menschliche Sprache beibringt und inwiefern ChatGPT ein Durchbruch ist.
  7. Ein Spiegel-Aufmacher zum Essen beginnt beim Übergewicht und endet in Generationen-Zeitdiagnostik mit Abstechern in der Epigenetik und politischem Staatsversagen. Er erklärt „warum wir immer dicker werden“.
  8. Derzeit gibt es viele Diskussionen um den desolaten Zustand des deutschen Films und der Filmförderung. Dominik Graf, einer der wichtigsten Regisseure des Landes, meldet sich mit einem Plädoyer für den Film und gegen “Look” und “Content” zu Wort
  9. Samuel Herzog war für die NZZ in der größten Indoor-Farm der Welt in Dubai. Mit echter Natur hat die Gemüseproduktion nicht mehr viel zu tun. Aber sie löst einige Probleme.
  10. Emma Boyd schreibt in der “Financial Times” über den ersten ETF in Europa, der sich auf das Geschäft mit Waffen konzentriert
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Wolfgang
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Stefan
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Mathias

3 Gedanken zu „Mangolds orange Pille, Köktürks Unsozialstaat, Williams Stories, Wagners Fahnenflucht, Boomer-Essen, Wehr ETFs

  1. Steffen

    Hi Stefan,

    beim Thema des Indoor Farming in Dubai hast du davon gesprochen, dass die Städte die Dörfer bzw. das Land versorgt hat. Es war historisch aber eher so, dass sich die Menschen in Siedlungen jedweder Größe immer versucht haben, sich größtenteils selbst zu versorgen. Das war eigentlich bis Mitte des 20. Jahrhunderts so. Ab dann hielt die starke Mechanisierung und der Kunstdünger Einzug in die Landwirtschaft.
    Bis dahin waren die Land- und forstwirtschaftlichen Flächen logistisch sinnvoll um den Wohnort gelegen. Im Dorf zum Beispiel, stand die Kuh zum morgendlichen und abendlichen Melken im Haus oder nahegelegen Stall. Dann kamen die Gemüsebeete, die Getreide und Kartoffelfelder, Waldwiesen und Forste. Aber auch in industriell geprägten Siedlungen gab es große Gärten mit Anbaumöglichkeiten und kleinen Stallungen. Natürlich wurde schon immer Handel getrieben und Waren transportiert. Heute haben wir dann Angebote wie die Kartoffeln aus Ägypten oder Flugmangos.

    Ich glaube eher nicht, dass das hochtechnisierte und automatisierte Indoorfarming, wie es in Dubai stattfindet, dazu beiträgt, die Lebensmittelsicherheit bedeutend zu erhöhen. Für Salate, Kräuter und sämtliche Gemüse mag das ja funktionieren, aber ich sehe nicht, wie man Getreide, Kartoffel oder Ölpflanzen so anbauen kann. In der Kategorie wird es im globalen Maßstab wahrscheinlich eher auf gentechnisch angepasste Sorten hinauslaufen, die mit den Klimaveränderungen besser zurechtkommen. Aber auch das ist nicht ist nicht so einfach, wenn auf eine lange Dürreperiode plötzlich ein Starkregenereignis folgt. Bei einer größeren Versorgungskrise ist wahrscheinlich doch eher wieder ein kleinteiliger Ansatz wie bei unseren Vorfahren von vor 150 Jahren nötig 😉

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  2. Korinthenkacker

    Eine kleine Nachfrage zur Passwortwiederherstellung von Wolfgang. Meinst du die Wiederherstellung konkret bei der Bank oder im Allgemeinen?
    Sicher bei Onlineshops oder eben bei der Bank gar kein Problem, aber es sträubten sich mir die Nackenhaare beim Zuhören, dass du damit z.B. deinen Email Provider meinen könntest…

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